Das Lied vom Gewürm

Manchmal gibt es Zeiten, da muss man Gift und Galle speien. So eine Zeit erlebe ich gerade, aber es ist mir noch nicht möglich, das Erfahrene zu transformieren und etwas anderes daraus zu machen. Deswegen stellvertretend ein alter Text von mir, der auch aus einer solchen Zeit stammt – und sich an klassischen Balladen orientiert (Gedichten, die eine richtige Geschichte erzählen, konnte ich immer schon viel abgewinnen). Wie immer als Download (PDF) und gleich hier im Blog:

Gewürm Scherenschnitt

Das Lied vom Gewürm

Wo Schemen Schatten küssen, von finst‘rem Fels bestimmt
und manchmal Feuerodem am Höhlengrund aufglimmt,
da liegt in Wurmes Schlingen weitab von Licht und Luft
der Prinz von Utharande, als läg‘ er in der Gruft.

Sein Jagdhorn ist zerbrochen, sein edles Ross verspeist.
Gefangen und verloren, in seinem Herzen weist
auf Flucht kein Hoffnungsfunke – das Untier gibt gut Acht:
Ein Auge wacht bei Tage und eines wacht bei Nacht.

Doch schon nahen die Helden aller Lande bis ans Meer,
zieh‘n ein in bunten Reihen mit Lanze, Schild und Speer.
Denn wer nach Haus‘ kann führen des Königs einz‘gen Sohn,
gewinnt, so ward verkündet, das halbe Reich zum Lohn.

Schon schimmern Stahl und Wappen vorm kalten Wurmesloch;
den Prinzen streift ein Lufthauch von Freiheit, der jedoch
einen jeden Speer zersplittert und fortschmilzt jeden Schild
als Rauch und Schuppenpanzer aus schwarzen Felsen quillt.

Den Prinzen rettet keiner und keiner kehrt zurück,
das nimmermüde Untier wird feister Stück um Stück.
Und weinend fragt der König: »Ist niemand Manns genug
dies Übel zu erschlagen? Ist alles Heldentum nur Trug?«

Da tritt ein fremder Recke forsch an den Thron heran,
ein Helm verdeckt das Antlitz, das niemand nennen kann.
Sein Banner ziert Barandir, der Wind, der weht aus West,
an seinem Mantel Federn aus aller Vögel Nest.

Mit wildem Lachen reitet er fort zum Schlachtengrund,
als er den Preis vernommen aus königlichem Mund.
Dort vor dem Felsenrachen bindet er fest sein Ross
und harrt mit scharfen Klingen auf den gierigen Koloss.

Es windet und es gleitet, es kriecht, es schwillt, es schleicht
aus kühlem Höhlenschatten, wo flink und federleicht
der Held ganz schild- und schutzlos auf den Schuppenrücken springt –
sein Dolch fährt in ein Auge, während das Schwert ins and‘re dringt.

Noch ächzt vom Kampf die Erde, da kündet sein Geheiß
der Prinz, kaum dass errungen der hehren Tat Beweis:
»Auf, heimwärts, edler Recke, vom Himmel und vom Wind!«
Worauf er sich im Sattel beim Wurmkopf wiederfind‘t.

Es grüßt alsbald den Helden von Jubelnden ein Tross,
er schreitet stumm vorüber hinan zum Königsschloss.
Manch edle Dame bietet ihr Tuch als Unterpfand,
doch nicht einmal der Schönsten reicht er die starke Hand.

Erst in der goldnen Halle, da sinkt er vor dem Thron
sacht auf ein Knie hernieder zu fordern seinen Lohn.
»Halt ein, du forscher Krieger«, der Prinz, er flüstert‘s bleich.
»Hast allen Ruhm gewonnen, willst du nun auch mein Reich?«

Da erhebt der fremde Recke zum ersten Mal das Wort
und reißt mit flinker Geste den schwarzen Helm hinfort.
»Gönnst du mir nicht die Freiheit, die ich dir wiedergab?«,
fragt‘s sanft und bis zum Boden fließt goldnes Haar hinab.

Aufrecht trotzt sie den Wogen aus Flüstern, Zetern, Schrei‘n,
dem Wall beschämten Schweigens aus des Königs Kriegerreih‘n.
Auch vor des Prinzen Häme senkt sie niemals das Haupt:
»Ich wär‘ beim Wurm geblieben, eh‘ ein Weib mein Erbe raubt!«

»Genügt hat euch mein Degen, genügt hat euch mein Mut.
Genügt euch nicht mein Wesen?«, fragt sie in stiller Wut.
Mit dem Blick zur blut‘gen Beute sinnt tief der König nach.
»Ich will«, bekennt er schließlich, »gewähr‘n, was ich versprach.«

So träumt des nachts die Heldin von ihrem eig‘nen Reich,
von Festen, Ritterschlägen – während sie bloß und weich
den Prinzen schlafend fordert, zu hol‘n, was er begehrt,
sie sich zum Weib zu machen, zu wahr‘n, was ihm gehört.

Erst die Hand auf ihren Lippen erzwingt, dass sie erwacht.
Er flüstert rau: »Mein Erbe bring‘ ich zurück heut‘ Nacht.
Mag sein, du bist der Recke, der das Untier niederringt –
liegst nun auf einem Schlachtfeld, auf dem man dich leicht bezwingt.«

Wie Eis sind ihre Arme, ihr Kuss ist rote Glut,
sein Eifer kennt kein Sträuben – das Laken wird nass von Blut.
Denn der Dolch unter dem Kissen, der ihm ins Auge fährt,
ist die einzige Liebkosung, der sie sich nicht verwehrt.

Im Morgengrauen zeigt sich der Zinnen garst‘ge Zier:
Zwei Schädel dräu’n in Eintracht – der Prinz und das Getier.
Ihr Richter ist geflohen – kein Held, kein Herrscher mehr –
reitet als dunkler Streiter im schwarzen Helm einher.

So schmiegt sich in die Schatten der Recke von Luft und Wind
und dient fortan in Kriegen, wo Menschen Schemen sind.
Dort treibt sein Lügenharnisch tiefer in ihn die Kluft,
bis einst ein armer König wieder nach Helden ruft.

fleuron_fb


Der Text stammt aus dem Jahr 2008 und ist – jetzt am Ende kann ich es ja verraten – auch ein Experiment darin, wie tradierte Erzählmuster versagen, wenn man einfach die Rollen tauscht.

5 Kommentare

  • Immer noch toll, Simone, wie damals, als ich es zum ersten Mal gelesen habe. Das atmet sehr viel Kraft und Wahrheit, und ich bin sicher, dass du auch anderes wirst transformieren können, wenn die Zeit gekommen ist 😉
    Und was das Experiment und die Erzählmuster betrifft – es ist ja vor allem unsere Vorstellungskraft, die versagt bzw. eingeengt ist. Daran geht letztlich auch der Prinz zugrunde. Ich finde die Frau herrlich stark, auch wenn sie am Schluss alleine von dannen zieht und nicht bekommt, was ihr zusteht.

  • Florian schrieb:

    Hallo Simone,

    ein tolles Gedicht ist Dir da gelungen! Heldenepos mal anders. Ein origineller Bruch mit den üblichen Heldengeschlechterrollen, bricht dies Gedicht zugleich auch eine Lanze für die alte Form, beziehungsweise für die kritische und kreative Auseinandersetzung damit ; zeigt es doch, dass auch Genres, die allgemein als überlebt und zur Schablonenhaftigkeit erstarrt gelten, durch Witz und kritischen Blick wieder ganz schön lebendig werden können. Ein modernes Gedicht, das neugierig auf alte Gedichte macht, das ist echt cool, sowohl in künstlerischer als auch in literaturdidaktischer Hinsicht. Also: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Gedicht!
    Beim (lauten) Lesen bin ich nur an ein paar Stellen gestolpert, wo meiner Meinung nach die Metrik nicht richtig sitzt oder die Bilder etwas schief geraten sind. Ich würde das nicht anmerken, wenn mir das Gedicht nicht so gut gefallen hätte, aber weil es mir so gut gefallen hat, hatte ich schon beim Lesen das Bedürfnis, die entsprechenden Stellen nicht einfach so stehen zu lassen. Vielleicht teilst Du ja meine Eindrücke und hast Lust, die paar Stellen noch einmal ein bisschen zu bearbeiten.
    Ich gehe einfach chronologisch vor, vom Anfang zum Ende:
    1.) „Doch schon nahen die Helden aller Lande bis ans Meer,“: hier bringt das „aller“ den schönen Fluss leider ins Stocken. Ist hier nicht eine Silbe zu viel? Zudem habe ich zuerst gedacht, sie würden bis ans Meer kommen, aber es ist dann doch wohl so gemeint, dass das Meer die Begrenzung der Lande ist, oder? Alternativ vielleicht: „Die Helden aller Lande, sie reiten eilend her“ oder „Doch schon nah’n all die Helden der Lande bis zum Meer“
    2.) „Schon schimmern Stahl und Wappen vorm kalten Wurmesloch;
    den Prinzen streift ein Lufthauch von Freiheit, der jedoch
    einen jeden Speer zersplittert und fortschmilzt jeden Schild
    als Rauch und Schuppenpanzer aus schwarzen Felsen quillt.“
    Hier geriet ich ins Grübeln. Der Lufthauch der Freiheit zerstört Speere und Schilde? Wäre es nicht folgendermaßen präziser: „Dem Prinzen winkt die Freiheit. Die Retter nahen! Doch / Ein jeder Speer zersplittert und fortschmilzt jeder Schild / als Rauch und Schuppenpanzer aus schwarzem Felsen quillt.“

    3.) „Und weinend fragt der König: »Ist niemand Manns genug
    dies Übel zu erschlagen? Ist alles Heldentum nur Trug?«“
    Hier bin ich wieder bei „alles“ hängengeblieben. Ich würde es entweder einfach weglassen (…“Dies Übel zu erschlagen? Ist Heldentum nur Trug?“ oder die Verzweiflung des Königs verstärken, und aus zwei Fragen drei kurze machen: „Und weinend fragt [vlt. auch ‚klagt‘] der König: Ist kein Mann Manns genug? / Sind selbst die Helden hilflos? Ihr Heldentum nur Trug?“

    4.) „Dort vor dem Felsenrachen bindet er fest sein Ross
    und harrt mit scharfen Klingen auf den gierigen Koloss.“
    Hier stört mich das etwas unpassende „Festbinden“ (Pferde werden ja nicht fest-, sondern angebunden), sowie der metrisch auf wackligen Füßen stehende „gierige Koloss“. Wie könnte man das umformulieren? Vielleicht in etwa so: „Und in den Felsenrachen stürmt lachend [oder: ‚mutig‘ oder ‚furchtlos‘] er hinein / rot blitzt die blanke Klinge im blut‘gen Feuerschein“
    5.) Dann müsste man in der eigentlichen Kampfszene den Drachen noch Feuer spucken lassen, was der Dramatik sicherlich nicht abträglich wäre. Bei der Kampszene ist mir folgendes aufgefallen:
    „Es windet und es gleitet, es kriecht, es schwillt, es schleicht
    aus kühlem Höhlenschatten, wo flink und federleicht
    der Held ganz schild- und schutzlos auf den Schuppenrücken springt –
    sein Dolch fährt in ein Auge, während das Schwert ins and‘re dringt.“
    Der „Schuppenrücken“ ist zwar als Bild super und sehr eindringlich, aber metrisch sehr holprig, was leider gerade beim lauten Lesen ein erhebliches Hindernis ist, gleiches gilt für das „während“ im vierten Vers, das ich ebenfalls rauslassen würde. Glatter, wenn auch weniger plastisch wäre: „der Held ganz schild- und schutzlos auf seinen Rücken springt / der Dolch jagt in ein Auge / das Schwert ins and’re dringt“
    6.) „Es grüßt alsbald den Helden von Jubelnden ein Tross,
    er schreitet stumm vorüber hinan zum Königsschloss“
    Hier fände ich es wirkungsvoller und stimmiger, wenn der Held reitet statt schreitet.

    7.) „Da erhebt der fremde Recke zum ersten Mal das Wort“
    Eine Silbe zu viel in der ersten Vershälfte, zudem eine etwas verunglückte Formulierung. (Heißt es nicht: „das Wort ergreifen“ bzw. „die Stimme erheben“? „das Wort ergreifen“ habe ich noch nie gehört). Stattdessen vielleicht eine Stufe schlichter, aber wie ich finde nicht weniger eindrucksvoll: „Da spricht der fremde Recke zum ersten Mal ein Wort“

    8.) „Aufrecht trotzt sie den Wogen aus Flüstern, Zetern, Schrei‘n,
    dem Wall beschämten Schweigens aus des Königs Kriegerreih‘n.
    Auch vor des Prinzen Häme senkt sie niemals das Haupt:
    »Ich wär‘ beim Wurm geblieben, eh‘ ein Weib mein Erbe raubt!«“
    Mit dieser Strophe hatte ich das größte Problem. Die Verse 2 und 4 sind, so meine ich, zu lang. Zudem gefällt mir die Aufzählung im ersten Vers nicht so richtig: Zetern und Schreien sind quasi synonym, Flüstern hingegen nicht. Diese Dreiergruppe von Wörtern ist also weder eine Steigerung (wie z.B. „Schweigen, Flüstern, Schrei’n“) noch eine Wiederholung gleicher Bedeutungen, was ebenfalls eine –atmosphärische- Steigerung bedeuten würde (z.B: „Wüten, Zetern, Schrei’n“). Zudem passt das „Aufrecht“ am Versanfang nicht so recht, überall sonst wird zu Beginn des Verses die zweite Silbe betont, nur hier nicht. Dann der „Wall beschämten Schweigens“ dem sie trotzt, dieses Bild finde ich irgendwie nicht so ganz stimmig. Inhaltlich finde ich diese Strophe genial und sehr wichtig für das Gedicht, nur die Umsetzung passt in meinen Augen noch nicht so hundertprozentig, ich habe aber gerade leider keine Idee, wie es besser gehen könnte.

    9.) „Mit dem Blick zur blut‘gen Beute sinnt tief der König nach.“
    Aus „mit dem Blick“ würde ich einfach nur „Den Blick“ machen, dann liest es sich besser und rhythmischer.
    10.) „Erst die Hand auf ihren Lippen erzwingt, dass sie erwacht.
    Er flüstert rau: »Mein Erbe bring‘ ich zurück heut‘ Nacht.
    Mag sein, du bist der Recke, der das Untier niederringt –
    liegst nun auf einem Schlachtfeld, auf dem man dich leicht bezwingt.“
    Hier ist es so ähnlich wie unter 9.): Aus „Erst die Hand“ würde ich „die Hand“ machen, dann ist es rhythmischer und obendrein noch spannender. Das Erwachen wirkt ohne „erst“ plötzlicher, die ganze Szene dynamischer. Eine Frage wäre, ob der Prinz in Vers das Erbe nicht vielleicht eher zurückHOLEN als zurückBRINGEN möchte. Schließlich die Verse drei und vier, enorm wichtig für das Gedicht, aber i vorliegender Form nicht ganz rund, was vor allem an dem metrischen Stolpersteinen „der das Untier“ liegt. Vielleicht stattdessen „der’s Untier“ oder auch:
    „Das Untier rangst Du nieder, doch dieses Schwert durchdringt / Dich nun auf einem Schlachtfeld, wo man Dich [oder: ‚Dich Dein Mann‘, dann ohne ‚leicht‘] leicht bezwingt“

    Dann wäre die Andeutung der Vergewaltigung allerdings weniger subtil, dafür hätte man das Schwert –das ja tatsächlich in vielen derartigen Sagenstoffen als Phallus dient- nochmal als explizit ‚männliches‘ Requisit im Gedicht, was gerade vor dem Hintergrund der in der nächsten Strophe folgenden Umcodierung nützlich sein könnte.

    11.) „Wie Eis sind ihre Arme, ihr Kuss ist rote Glut,
    sein Eifer kennt kein Sträuben – das Laken wird nass von Blut.
    Denn der Dolch unter dem Kissen, der ihm ins Auge fährt,
    ist die einzige Liebkosung, der sie sich nicht verwehrt.“
    Heißt es wirklich „rote Glut“ oder „tote Glut“(letzteres würde besser zu den eisigen Armen passen). Den schönen paralellistischen Satzbau aus Vers 1 könnte man auch prima im zweiten Vers fortsetzen:
    „Sein Eifer ohne Sträuben – das Laken voller Blut.“
    Und zu den Versen drei und vier: Eine Liebkosung, der sie sich nicht verwehrt, würde ja von IHM ausgehen. Da sie aber den Dolch führt und ihm ins Auge stößt, müsste es heißen: „die sie sich nicht verwehrt“, oder, wie ich finde, noch eleganter: „die sie ihm gewährt:
    Mein Vorschlag wäre also für diese Strophe:
    „Wie Eis sind ihre Arme, ihr Kuss wie [statt ‚ist‘] tote Glut / Sein Eifer ohne Sträuben — das Laken voller [oder: ‚rot von‘] Blut / Die einzige Liebkosung, die sie ihm noch gewährt: / der Dolch unter dem Kissen, der ihm ins Auge fährt.“

    12.) „So schmiegt sich in die Schatten der Recke von Luft und Wind
    und dient fortan in Kriegen, wo Menschen Schemen sind.
    Dort treibt sein Lügenharnisch tiefer in ihn die Kluft,
    bis einst ein armer König wieder nach Helden ruft.“
    Ein bischen schief, denn gerade Luft und Wind werfen doch -selbst unter den schemenhaftesten Umständen- keine Schatten. Und dann würde ich in Vers drei noch, dem Rhythmus zuliebe, die Worte „tiefer ihn“ umstellen: „ihn tiefer“
    Also vielleicht:

    „Der Recke eilt von dannen und zieht mit Luft und Wind / und dient [‚kämpft‘?] fortan in Kriegen, wo Menschen Schemen sind / Dort treibt sein Lügenharnisch ihn tiefer in die Kluft / Bis einst ein armer König wieder nach Helden ruft.“

    Liebe Grüße

    Florian

  • Simone schrieb:

    Vielen Dank für dein Lob und deine Anmerkungen, Florian!
    Es interessiert mich durchaus, was du für Vorschläge hast, weil mich auch an einigen Stellen die Holperer noch stören, wofür ich aber bisher keine bessere Lösung gefunden habe.

    Ich mache jetzt mal einfach Kommentare zu den Kommentaren, denn vielleicht springt ja irgendwo noch eine dritte Variante raus … Generell denke ich aber, dass ich beim Metrum nicht ganz so sehr der Meinung bin, dass es immer auf den Punkt stimmen muss, das tut es in den klassischen Balladen auch nicht immer (und wenn ich zwischen Verständnis und einem kleinen zugedrückten Auge beim Metrum abwägen muss, gewinnt bei mir eher das Verständnis). Aber ohne Stolpersteine beim Vortrag wäre es natürlich besser.

    1, ist jetzt z.B. eine der Stellen, die ich nicht als so störend empfinde. Von deinen Vorschlägen gefällt mir eher der zweite, aber ob gut genug für einen Austausch, muss ich noch überlegen.

    2, ist durch die Verdichtung wahrscheinlich ein schwer nachvollziehbares Bild: Der Lufthauch entsteht, als der Wurm nach draußen verschwindet, um die Helden zu bekämpfen. Daher ist es derselbe Lufthauch/dieselbe Bewegung, die dann auch draußen alles kurz und klein haut.

    3, ist meine Hasszeile, denn da fällt man massiv aus dem Fluss. Ich habe schon alles ausprobiert und finde nichts, was passt. Vielleicht braucht man einen ganz anderen Ansatz? Allerdings will ich inhaltlich schon drin haben, dass der König an dem Heldentum, wie es sich gerade darstellt, zweifelt. Wenn man “alles” weglässt, wird es auch merkwürdig. Ich bin aber, das zeigt sich auch an den weiteren Vorschlägen, häufig nicht so sehr dafür, Worte oder Wortteile im Zweifelsfall wegzulassen.

    Bei 4, ist das Problem weniger der “gierige Koloss”, sondern das “auf”, das von “harren” erzwungen wird (wenn man da schon keinen Genitiv nimmt, was reimtechnisch nicht möglich ist). Blöde Stelle, ich habe noch keine überzeugende Lösung.

    5, der “Schuppenrücken” war für mich bisher kein so großes Hindernis, bei “während” ist es ein bisschen Pokern, dass man “währ’nd” liest, was aber ausgeschrieben ziemlich doof aussieht.

    6, Aber auf dem Pferd sitzt der Prinz (mit dem Drachenkopf).

    7, Ist eine Überlegung wert. Wundert mich auch gerade, dass das bisher nicht aufgefallen ist.

    Bei 8, würde ich mir am ehesten das mit der Reihung überlegen, ob es da noch eine bessere Variante gibt. Mit dem Rest habe ich kein so großes Problem.

    10, ist für mich auch noch eine der Holperstellen. Auch x-mal durchprobiert, ohne eine zufriedenstellende Lösung zu finden.

    Bei 11, ist eine Variante deines Vorschlags für die letzten beiden Zeilen gar nicht schlecht, die Stelle ist mir nämlich auch noch nicht ganz optimal erschienen. Aber, ja, rote Glut – er denkt noch, er kriegt einen Kuss, da hat er schon den Dolch im Auge.

    12, ist ein Verständnisproblem: “Der Recke von Luft und Wind” vor allem wegen seiner Zeichen (Vogelfedern, der Westwind, die Freiheit); und die Reihenfolge in der vorletzten Zeile muss so und ist sehr wichtig: Sie wird nicht in eine Kluft getrieben, sondern die Kluft ist in ihr (und wird weiter in sie hineingetrieben), weil sie wieder einen Schein über das Sein stülpen muss und es nicht geklappt hat, das wahre Ich in einem durch die Tat eroberten Reich zeigen zu können.

    Mich stört übrigens zusätzlich noch eine Stelle, die du nicht genannt hast:
    “ein Helm verdeckt das Antlitz, das niemand nennen kann.”
    Da hatte ich schon “benennen” und alles Mögliche drin. Mir gefällt die extreme Verkürzung eigentlich nicht, weil ich nicht weiß, ob da die Aussage “niemand kennt den Typen” nicht zu kurz kommt. Aber alle anderen Lösungen holpern mir zu stark.

    Einiges ist definitiv noch nicht optimal, und du hast die Stellen auch zielsicher rausgeklaubt. Neben Metrum und den Bildern gibt es halt auch noch stilistische Fragen (Anlaute, Vokalgleichklänge und sowas) und die inhaltliche Ebene abzuwägen. Wenn ich jetzt das eine verbessere und das andere einbüße, ist es auch nicht das Wahre.

    Dankeschön auf jeden Fall, dass du dich so intensiv damit auseinandergesetzt hast, das freut mich! Ein paar neue Denkansätze sind dabei – mal sehen, ob mich vielleicht noch die ein oder andere Lösung anspringt, wenn ich mir das Ganze nochmal vornehme (ist ja immerhin ein “aufgegebenes” Werk, nach der alten Regel, dass man Kunst niemals vollendet, sondern nur liegen lässt 😉 ).

  • Und weinend fragt der König: »Ist niemand Manns genug dies Übel zu erschlagen? Ist alles Heldentum nur Trug?

    Schreit der König:” Ist niemand Mannes genug,
    dies Übel zu schlagen, Heldentum nur Trug?”

  • Eine öffentliche Bearbeitung eines Werkes – uiuiui. Nichts für ungut, aber mich beschleicht dabei doch ein leises Unbehagen. Aber das mag auch an mir liegen. Oder an den Zeiten, die sich geändert haben. Aber ich würde mir wünschen, wenn ich jemals ein künstlerisches Werk in meinen Blog einstelle, dass eine so eingehende Bearbeitung mich als email erreicht. Und dass man mich vorher fragen würde, ob ich derartig eingehende Vorschläge überhaupt hören möchte, statt mich damit öffentlich zu überfallen 😉

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