Die besten Geschichten 2013 (maximaler Subjektivitätslevel)

Mein persönlicher Jahresrückblick in Sachen Geschichten fällt überschaubar aus – ich habe zwar viele gute Geschichten gelesen (bzw. gesehen), interessante Erzähler und Erzählerinnen entdeckt, von denen ich gern mehr hören würde, aber es waren trotzdem keine neuen Lieblingsbücher dabei, und meine Highlights des Jahres kommen aus anderen Medien. Außerdem greife ich gerne zu längst veröffentlichten, von mir bisher versäumten Dingen, es ist also mitnichten eine außerhalb meines Horizonts auf 2013 beschränkte Liste.

1. From Hell (Alan Moore, Eddie Campbell)
Eine penibel recherchierte Aufarbeitung der Morde von Jack the Ripper in Comic-Form, deren aufwendiger Anhang in die Hintergründe einführt und zum Weiterforschen animiert, die unglaublich dicht und spannend erzählt ist und die einen ziemlich beißenden Kommentar auf die eingeläutete Moderne abgibt. Die Detailfülle und das Ineinandergreifen der einzelnen Elemente, die geniale Charakterisierung der agierenden Figuren und der Epoche, die sie hervorgebracht hat, sorgen für ein fesselndes, auf mehreren Ebenen unterhaltendes Leseerlebnis.
(Wieder mal) Hut ab vor Alan Moore, der, ob die von ihm dargestellte Version der Ereignisse nun der Wahrheit entspricht oder nicht, die Gesellschaft gekonnt analysiert und das Ganze trotz der Fülle der eingebrachten Aspekte und des großen Umfangs zu einer stringenten Geschichte zusammengezurrt hat. (Und das übrigens vollkommen ohne jene übernatürlichen Elemente, die die meisten Jack-the-Ripper-Geschichten durchziehen, die sonst herumschwirren.) Warum habe ich das nicht schon viel früher gelesen?

2. Digger (Ursula Vernon)
Ich habe es nicht darauf angelegt, dieses Jahr ein Schwarz-Weiß-Comics-Best-of zu präsentieren, aber hier ist der zweite: Ein ähnlich umfangreicher Schinken wie From Hell, auf seine Weise genauso gut – und so vollkommen anders, dass die beiden eigentlich nicht auf einer Liste auftauchen dürften.
Digger ist ein Fantasy-Comic mit einem Wombat als Hauptfigur. Lustig, dramatisch, philosophisch, episch, liebenswert und absolut großartig. Er enthält fast alles, was ich an der Fantasy liebe: Die Möglichkeit, alle Regeln und Annahmen auf den Kopf zu stellen, die Entdeckung einer bizarren fremden Welt, mythische Hintergründe, die irgendeine Saite in mir zum Schwingen bringen, und eine gute Geschichte, wie man sie nur in diesem Genre erzählen kann.
Man kann Digger online als Webcomic lesen oder inzwischen auch als Sammelband kaufen. Hier habe ich etwas mehr dazu geschrieben.

3. Leviathan oder Der Wal (Philip Hoare)
Der Ehre halber erwähnt, und um wenigstens die drei voll zu machen: Ein Sachbuch des Journalisten Philip Hoare, der vielleicht noch ein kleines bisschen verrückter nach Walen ist als ich. Immerhin ist er den Schauplätzen, Ursprüngen und Hintergründen von Moby Dick nachgereist, war Dutzende Male beim Whalewatching und hat für dieses Buch so ziemlich alle Informationen gefilzt, die über Wale (vor allem Pottwale) zu haben sind. Entsprechend Interessantes hat er zu erzählen – durch meine Gedanken schwimmen seither ständig Walgeschichten. Schön sind sie allerdings nicht immer, denn die Sache mit dem Walfang ist ein sehr unrühmliches Kapitel der Menschheitsgeschichte. Trotzdem ist das Thema Wal(fang) eine ungewöhnliche und erstaunliche Brille, durch die man die Entwicklung der Zivilisation betrachten kann, und alles Unschöne wird gelindert durch die Beschreibungen der Wale, ihrer Unergründlichkeit und ihrer Urtümlichkeit. Das Buch hat einen meiner soft spots erwischt und ist vor allem Walfreunden mit hoher Moby-Dick-Toleranz zu empfehlen, aber andererseits schreibt Hoare so unterhaltsam und versiert, dass ich mir das noch neuere The Sea Inside auch zulegen werde – und hoffe, dass es der wunderschön aufgemachten (und von Hans-Ulrich Möhring großartig übersetzten) deutschen Ausgabe von Leviathan in nichts nachsteht.

Für nächstes Jahr habe ich bereits eine schöne Leseliste (an die ich mich dann nicht halten werde) mit vielen spannenden Titeln – ich freue mich auf Elizabeth Bears Range of Ghosts, das ich endlich mal richtig lesen muss, und Cherie Priest (wo ich von Madame Books den Tipp bekommen habe, unbedingt mal wegen der Frauenrollen reinzuschauen) –, und das Kino bietet hoffentlich auch mehr als dieses Jahr: Momentan freue ich mich besonders auf den neuen Wes Anderson und bange, ob die Fortsetzung von How to Train Your Dragon etwas werden kann.
Kommt gut und sicher ins neue Jahr – wir lesen uns 2014!

Kein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird niemals weitergegeben.Erforderliche Felder sind mit einem * markiert.