Schlimm genug, dass es in der echten Welt noch nicht so ganz klappt, aber ich bekomme beim Lesen häufig das Gefühl, dass auch fiktionalen Frauen nicht dieselben Ziele und Rollen offenstehen wie Männern. Aufmüpfige Heldinnen und toughe Damen bevölkern inzwischen zwar durchaus die Buchseiten, aber allzu oft geht es, sobald ein weibliches Wesen auftaucht, halt letztlich doch um die Liebe. Am besten zu einem Typen, zu dem Miss Kickass aus irgendwelchen Gründen (er ist unsterblich, ein Gott, ein Werwolf, ein Dämon – sucht euch was aus) aufschauen kann.
Im Zweifelsfall liegen weibliche Talente ohnehin oft in der sanften Ecke: Als Heilerin, Seherin, Diplomatin, Naturliebende, Priesterin. Auch der Typus Vamp ist nur vermeintlich stark und wird letztlich über das Bezugssystem des männlichen Blickwinkels definiert, ohne das Frauengeschichten meist keine Vollendung erfahren können, während männlichen Helden sehr viele Wege offenstehen, um “komplett” zu werden.
Wenn eine Frau an kämpft und siegt, funktionieren tradierte Erzählmuster häufig nicht mehr (dazu demnächst mal mehr). Deswegen ist es Zeit für neue Geschichten, und ich habe ein paar Szenarien auf eine Wunschliste gesetzt, die ich gerne sehen würde. Mit Sicherheit gibt es das ein oder andere schon (ich freu mich über Tipps!), aber um sich festzusetzen, braucht es mehr davon:
– Eine Frau, die erobert. Ob Mann oder Land, völlig egal.
– Eine Frau, die sich einen Mann zum Haushüten aussucht.
– Eine Frau, die einsam in den Sonnenuntergang davonreitet.
– Eine Frau, die sich am Ende als tragische Figur von der Gemeinschaft abwendet, die sie gerettet hat.
– Eine Frau, die im Alter noch einmal ihre Waffe aufnimmt und in eine letzte Schlacht zieht.
– Eine Frau, die weise wird.
– Eine Frau, die eine Disziplin meistert, vielleicht als Meisterschmiedin oder Philosophin.
– Eine Frau, die sexuell unabhängig und interessiert ist.
– Eine Frau, die auf Abenteuer auszieht und ihre (gerne schon großen) Kinder zu Hause lässt.
– Eine Frau, die auf ihren Abenteuern eine gute Freundin findet und dann im Team durch die Welt zieht.
– Eine Frau, die sich im Laufe ihres Lebens eine hohe gesellschaftliche Stellung erarbeitet hat und diese nun verteidigen muss.
Spannende Liste (wobei … Ich bin nicht für “Meisterschmiedin oder Philosophin”, sondern “Meisterschmiedin und Philosophin”, das wäre doch mal eine nette Kombination und etwas, das selbst Wieland, der nur bis “Meisterschmied und irrer Rächer” gekommen ist, nicht geschafft hat ;)). Auf den Artikel über die tradierten Erzählmuster und ihr Funktionieren oder Nichtfunktionieren bin ich übrigens gespannt.
Keine Frage, bei Meisterschmiedin & Philosophin wäre ich auch dabei!
Für das Scheitern von tradierten Erzählmustern wird es übringes kein Artikel, außer mich packt noch der Schreibwahn, sondern ein Text, der das anschaulich demonstriert (und den du schon kennst 😉 ).
Ein schöner Beitrag. Ich bin auf die Erzählmuster gespannt und vor allem darauf, warum diese häufig nicht mehr funktionieren. Ich vermute nämlich, dass die meisten sich ohne weiteres auf weibliche Figuren umstellen lassen. Wenn ich z.B. in einer Fantasywelt Kriegerinnen habe, würde ich doch annehmen, dass ein Diplomat, der gerettet werden muss, sehr schnell zur Damsel in Distress werden könnte. Nur muss sich dann auch was bei den Männern tun. Deswegen würde wahrscheinlich eine „Männerliste“ zu der „Frauenliste“ passen. Also etwa:
– Ein Mann, der sich erobern bzw. retten lässt.
– Ein Mann, der das Haus (und die Kinder) hütet.
usw.
Meine Favoritin, was die Umsetzung der Dinge, die du dir wünschst, angeht, ist übrigens „Alyx“ von Joanna Russ.
Was “Alyx” angeht, finde ich es ganz schön bitter, dass das jetzt schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat und trotzdem eine ziemliche Ausnahme geblieben ist. Den Weg sind ja nun nicht viele weitergegangen …
Ganz kurz zu den nicht mehr funktionierenden Erzählmustern: Da gehen m.E. Theorie und Praxis auseinander. Die Erzählmuster per se ließen sich bisweilen gut umdrehen, da gebe ich dir recht, aber die gesamtgesellschaftliche Erfahrung, das, was der Mensch mit unserem Hintergrund an Narrativen kennt, kommt in die Quere.
Vergleiche z.B. mal die Geschichten alter Männer (Gemmells Druss z.B., aber auch so jemand wie Scholes’ Petronus) und alter Frauen (so vorhanden 😉 ). Die alten Männer haben fast immer eine sofort verständliche Fallhöhe, die man nur andeuten muss (die waren halt mal jemand und laufen Gefahr, es jetzt nicht mehr zu sein/können noch ein letztes Mal zurück zum alten Glanz/…). Das funktioniert bei Frauen mE nicht auf diese Weise, weil ihnen die implizierte Vorgeschichte fehlt. Ich kann nun natürlich schon in einer Welt schreiben, in der Frauen diese Vorgeschichte per definitionem haben, aber das ist dann der Punkt, wo ich glaube, dass die Erfahrungen aus dem öffentlichen Leben (und vieler, vieler Geschichten) dazwischenfunken.
Dagegen hilft aber nur, trotzdem solche Geschichten zu schreiben.
Die Sache mit “Alyx” ist tatsächlich bitter. Ich finde es besonders bedauerlich, dass die Erzählungen heute kaum noch eine Rolle spielen. Sie sind nur noch gebraucht zu bekommen und haben nicht annähernd die Popularität von Robert E. Howards Erzählungen, an denen man – was Frauenfiguren angeht – sehen kann, wie es nicht geht.
Aber dann lese ich z.B. die erste Alyx-Erzählung (“Bluestocking”) und bin einfach nur glücklich und inspiriert.