Wer schon mehr als zwei (von meinen zugegebenermaßen gerade mal zehn) Blogbeiträgen gelesen hat, wird wissen, dass ich dem Erzählen gerne außerhalb von Buchseiten nachspüre. Musik ist nicht gerade als erzählendes Medium bekannt, doch es ist Wochenende, das Tanzbein zuckt, und es gibt viele Songs, die auf kleinem (manchmal auch größerem) Raum richtig gute Geschichten erzählen, vom Epos bis zur Vignette. Beginnen möchte ich diese musikalische Blogreihe mit einem Song, der eher Richtung Vignette geht: A Poem on the Underground Wall von Simon & Garfunkel.
Paul und Art werden dieses Jahr 73 (!), und ich bin zwar ein spät berufener Fan (weil zu jung), aber dafür hatten wir eine sehr innige Beziehung: Während andere sich New-Kids-on-the-Block-Poster aufhängten und dann langsam zu Take-That-Bettwäsche übergingen, habe ich für zwei Jungs aus den 60ern geschwärmt (my very own kind of weirdness). Und, hey, das ist nicht die schlechteste Boyband, die man anhimmeln kann. Mit Paul Simon habe ich Englisch, Gitarre Spielen und Dichten gelernt.
A Poem on the Underground Wall von der dritten LP Parsley, Sage, Rosemary and Thyme (1966) ist selbst ein geniales kleines Gedicht, dessen Spannungsbogen durch die Instrumente gestützt wird. Das hört man am besten in der Albumversion, z.B. hier (unten auch eingebunden – leider nicht in der tollsten Qualität, dafür muss man sich an den Plattendealer seines Vertrauens wenden). Wenn man ein Video sehen möchte, steht eine Liveversion zur Verfügung, bei der aber die Qualitäten des Songs (das Spiel mit Lautstärke und der Instrumentalisierung bei einer eigentlich recht sparsamen Inszenierung) nicht so sehr zur Geltung kommen, dafür versprüht es den … spröden Charme der 60er.
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Tja, bei mir wirkt die Magie noch immer, sogar bei zu Tode gehörten Songs der beiden, zu denen dieser eher unbekannte sicher nicht zählt. Vielleicht wird darin aber ihre Vielfalt, Experimentierfreude und der Hang zum erzählenden Songschreiben sichtbar. Und Paul weiß offenbar auch genau, wovon er spricht – ‘his heart is laughing, screaming, pounding’. Ja, so fühlt sich das mitunter an, wenn man was Schönes geschrieben hat, bevor man dann wieder in der Nacht verschwindet.
Nächstes mal an dieser Stelle dann vielleicht mit Moritat. Oder wenigstens Tanzbein. Versprochen!
Für Simon & Garfunkel habe ich als Jugendliche auch geschwärmt;-) Allerdings hatte es mir vor allem das Bridge Over Troubled Water angetan – nachdem ich es in Südspanien in einer Ferienhaus-Siedlungs-Disco auf Spanisch gehört hatte …
Den Song A Poem on the Underground Wall kannte ich nicht; gefällt mir gut;-) Und er weckt Erinnerungen ganz anderer Art: als ich vor zig Jahren in England studierte und einmal mitten in der Nacht in der Londoner U-Bahn mitbekam, wie Jugendliche eines der “Poems on the Underground”-Schilder abmontierten, kamen wir ins Gespräch. Das Ende vom Lied war, dass sie es mir nach dem Aussteigen lächelnd in die Hand drückten … ich war so perplex, dass ich das Teil mitgenommen habe … und dann hing WIlliam Blakes The Tyger lange über den Eingangstüren diverser Mietwohnungen …
Man kann sich jetzt natürlich fragen – gab’s die “Poems on the Underground” schon zu Zeiten von Simon & Garfunkel? Oder hat der Song erst dazu inspiriert? Oder hängt beides gar nicht zusammen? Immer gibt’s eine Geschichte hinter der Geschichte …
Eher inspiriert? Ich muss gestehen, das kannte ich gar nicht und habe gerade erst nachgeschaut, was das überhaupt ist: Angeblich wurde das Projekt 1986 gestartet. Aber sehr schön, sowas gefällt mir. Und “The Tyger” – da könnte man es schlechter erwischt haben! 😉
Ich schätze, weil’s “The Tyger” war, habe ich mich auch nicht so … äh … gesträubt, das unverhoffte Geschenk anzunehmen;-) Das Gedicht ist einfach toll.